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Studie verursacht Wirbel Sind Schnelltests unzuverlässig?

Bei Antigen-Schnelltests kommt es nicht darauf an, alle Infektionen zu entdecken, sondern infektiöse Menschen.

Bei Antigen-Schnelltests kommt es nicht darauf an, alle Infektionen zu entdecken, sondern infektiöse Menschen.

(Foto: picture alliance / HMB Media/Julien Becker)

Eine Metastudie ergibt, dass Antigen-Schnelltests relativ oft Covid-19-Infektionen nicht erkennen, vor allem wenn Menschen keine Symptome zeigen. Aber kann man daraus wirklich schließen, dass die Tests zu unzuverlässig sind? Und was gilt für in Deutschland zugelassene Schnelltests?

Die Fallzahlen steigen, die dritte Welle rollt und der Politik gehen die Instrumente aus, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Viel mehr als Ausgehverbote und Schulschließungen steht nicht mehr zur Verfügung, also Maßnahmen, die die Freiheit der Bevölkerung weiter einschränken. Eine wichtige Alternative, die Zeit zu überbrücken, bis ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, sind Antigen-Schnelltests. Ihr Einsatz kann beispielsweise verhindern, dass Schulen oder Kitas geschlossen werden müssen.

Doch jetzt verunsichern Berichte über eine aktualisierte Metastudie des Cochrane-Netzwerks die Bevölkerung. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Schnelltests bei der Erkennung von Infektionen im Vergleich zu PCR-Tests sehr unzuverlässig sind. Neu ist diese Erkenntnis allerdings nicht und sie schmälert die Nützlichkeit der Antigen-Tests nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Die Metastudie bestätigt sogar, dass sie genau das gut können, wozu sie gedacht sind.

Nachweis von Infektiosität, nicht Infektionen

Das grundsätzliche Missverständnis ist, dass Antigen-Schnelltests dazu da sind, infizierte Menschen zu finden. Aber das ist sozusagen nur willkommener Beifang, denn in erster Linie sollen sie Infektionsketten unterbrechen, indem sie erkennen, ob jemand aktuell ansteckend ist.

Antigen-Tests weisen Eiweiß-Fragmente von Sars-CoV-2 nach, während PCR-Tests auf das Erbgut des Virus anschlagen. Das bedeutet unter anderem, dass die Schnelltests nur bei einer hohen Viruslast ein positives Ergebnis anzeigen. Daraus folgt wiederum, dass sie kurz nach einer Infektion nicht reagieren, ein negativ getesteter Mensch also einige Stunden später ansteckend sein kann.

PCR-Tests dagegen reagieren bereits auf sehr geringe Spuren von Virus-RNA. Deshalb erkennen sie eine Infektion nicht nur schon relativ kurz nach der Übertragung, sondern auch noch Wochen später, wenn ein Infizierter schon lange nicht mehr ansteckend ist.

PCR-Tests umgekehrt zu empfindlich

So ist es kaum verwunderlich, dass die Metastudie, die Resultate verschiedener Studien zusammenfasst, zu dem Ergebnis kommt, dass Antigen-Schnelltests bei Personen mit Symptomen Infektionen ziemlich zuverlässig erkennen und bei symptomlosen Menschen "weniger gut funktionieren".

Weil es aber nicht Sinn und Zweck von Antigen-Tests ist, alle Infizierten zu finden, sondern vor allem die, die ansteckend sind, wird umgekehrt ein Schuh daraus. "Das heißt, PCR-Tests weisen eine geringe Spezifität auf, um infektiöse Menschen unter symptomlosen Menschen herauszufinden", sagt Irene Petersen, Professorin für Epidemiologie und Gesundheitsinformatik am University College London (UCL).

"Wenn mehr als die Hälfte der Personen kein lebendes Virus mehr in ihrem Körper hat, kann eine Validierungsstudie unter Verwendung des PCR-Tests als Referenzstandard niemals eine offensichtliche relative Empfindlichkeit der Schnelltests von mehr als 50 Prozent erreichen", erklärt sie.

Missverständnisse vorprogrammiert

Daraus wird dann ruckzuck eine Überschrift à la "Schnelltests finden nur die Hälfte der Infizierten", was dann so interpretiert wird, dass die durchgerutschten 50 Prozent ihre Mitschüler, Lehrer, Kollegen, Heimbewohner, Restaurant- oder Theaterbesucher anstecken könnten. Und deshalb seien Schnelltests nicht sicher genug.

Man müsse die Resultate solcher Arbeiten "neu kalibrieren", sagt Petersen. Eine Liverpooler Pilot-Studie, bei der Antigen-Schnelltests weniger als 50 Prozent der symptomlos Infizierten fanden, lege beispielsweise nahe, "dass die tatsächliche Empfindlichkeit wahrscheinlich über 80 Prozent und wahrscheinlich höher liegt".

Es wäre wohl besser, gestaltete man Studien zur Zuverlässigkeit von Schnelltests grundsätzlich anders. Man müsse "Überwachungs- und klinische Diagnosetests mit unterschiedlichen Metriken bewerten, anstatt alle Testmodalitäten mit dem 'Goldstandard' PCR-Test zu vergleichen", sagt Jeremy Rossman.

Wann ist man infektiös?

Wenn man doch vergleicht, sollte man auf die Resultate blicken, die für Schnelltests relevant sind, nämlich die, wie zuverlässig sie bei einer als infektiös geltenden Viruslast ein positives Ergebnis anzeigen. Diesen Schwellenwert zu bestimmen, ist allerdings nicht ganz einfach, bisher kann man ihn nur ungefähr festlegen, was unter anderem an unterschiedlichen Methoden der auswertenden Labore liegt.

Ermittelt wird die Viruslast via PCR als sogenannter Ct-Wert (Cycle-threshold-Wert). Er entspricht der Zahl der PCR-Zyklen, die notwendig sind, bis das Virus-Erbgut (RNA) positiv signalisiert wird. Das bedeutet, dass die Menge der Viren niedriger ist, desto höher der Ct-Wert ist.

Der Schwellenwert liegt irgendwo unter 30. Das ist auch der Wert, den das RKI früher als Orientierungshilfe für Ärzte angab, bei dem "nach bisherigen Erfahrungen" Patienten aus der Isolierung entlassen werden können. Inzwischen nennt das RKI aufgrund der unterschiedlichen Verfahren eine Virusmenge. Das MVZ Labor Ravensburg gibt daraus resultierend für seine verschiedenen PCR-Systeme Ct-Werte zwischen 23 und 27 an.

Relevante Resultate der Antigen-Tests sehr gut

Aus der Cochrane-Metastudie ergibt sich für die Antigen-Schnelltests bei Ct-Werten bis zu 25 im Schnitt eine Sensitivität von 94,5 Prozent. Bei Werten bis 33 liegt sie immer noch bei 82,5 Prozent. Die Spezifität, die angibt, wie selten Fehlalarme produziert werden, beträgt 99,6 Prozent. Eine aktuelle Metastudie der Universität Heidelberg kommt bei Ct-Werten bis 25 auf eine Sensitivität von 94,2 Prozent, bei einem Wert bis 30 auf 87,9 Prozent. Die Spezifität beträgt hier 99,7 Prozent.

Bei den vielen weltweit angebotenen Antigen-Schnelltests gibt es allerdings große Qualitätsunterschiede. Deshalb gibt die WHO Richtwerte vor, die auch in Deutschland den vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Abstimmung mit dem Robert-Koch-Institut festgelegten Mindestkriterien entsprechen.

Das heißt, dass die Schnelltests von mindestens 100 Personen mit Covid-19-Symptomen innerhalb von sieben Tagen nach Symptom-Beginn mehr als 80 Infektionen feststellen können (Sensitivität). Außerdem muss sichergestellt sein, dass sie fast nie Fehlalarme produzieren. Das bedeutet, ihre Spezifität muss größer als 97 Prozent sein.

Überprüfte Antigen-Schnelltests

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Wer sichergehen möchte, schaut in einer regelmäßig aktualisierten Liste des PEI nach. In ihr findet man Antigen-Schnelltests für den professionellen Einsatz, deren Sensitivität nach einem standardisierten Verfahren überprüft wurde.

Zugelassene Selbsttests, die die Mindestkriterien erfüllen, listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf. Etliche von ihnen findet man auch unter den Tests für den professionellen Einsatz, da es sich oft um identische Produkte handelt, die lediglich um einen Beipackzettel für Laien ergänzt wurden.

Quelle: ntv.de

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